in unserem Bestreben, verschiedene Ameisenforscher und ihre Projekte einem breiten Publikum zu präsentieren, fahren wir mit unserer Interviewreihe fort.
Wir sind stolz, Frau Christiana Klingenberg vorzustellen, wissenschaftliche Volontärin am Staatlichen Museum für Naturkunde Karlsruhe (SMNK) und Daten Managerin am FoCol-Projekt des Global Biodiversion Information Facility-Project (GBIF-D). Ziel des FoCol-Projektes ist es, alle in deutschen Museen vorhandene Ameisen-Typen zu fotografieren. Diese Arbeit wird einen wesentlichen Beitrag zur Dokumentation der weltweiten Artenvielfalt der Ameisen leisten. Wir freuen uns bereits sehr, ihre exzellenten Fotografien und die kompletten Daten des Projekts in Kürze über den SysTax-Server auf unserer Webiste zu präsentieren. In unserem Interview spricht Frau Klingenberg über ihre Arbeit am FoCol-Projekt.
AntBase: Frau Klingenberg, Sie sind mitverantwortlich für das FoCol-Projekt am SMNK. Was hat Sie dazu inspiriert solch ein Projekt zu entwickeln? Gab es so etwas wie ein "Schlüsselerlebnis" bei Ihrer Arbeit, dass Sie sich gedacht haben: "Wie komme ich an Daten über die in den deutschen Sammlungen verfügbaren Ameisentypen?"
Christiana: Das Projekt wurde nicht von mir, sondern von Dr. Manfred Verhaagh geplant und beantragt. Ich bin erst später dazu gestoßen. Zu meinen Aufgaben gehörte auch die Typen-Recherche. Ein paar Museen haben teilweise bereits Typus-Listen im Internet und es gibt auch ein paar Museums-spezifische Publikationen, in denen Typus-Listen abgedruckt sind. Zusätzliche haben wir dann noch einen Fragebogen entwickelt und an alle Institute geschickt, bei denen wir Ameisen-Sammlungen vermutet haben. Dabei war z. B. das "Zentralregister biologischer Forschungssammlungen in Deutschland" (ZEFOD) sehr hilfreich. Mit dem Fragebogen wurden sammlungsspezifische Daten erfragt, unter anderem auch vorhandenes Typus-Material. Große Museen wie z. B. das Museum für Naturkunde in Berlin haben wir persönlich besucht und uns vor Ort einen Überblick verschafft.
AntBase: Auf Ihrer Internetseite www.anttypes.org erwähnen Sie, dass Sie um die 3000 Datensätze von rund 1500 Taxontypen verwalten. Das ist ja auch ein ganz gehöriger Aufwand an die Tiere heranzukommen, verschiedene Institute anzuschreiben und das Material auszuleihen, und letztendlich natürlich auch mit entsprechenden Kosten verbunden. Wie finanziert sich denn Ihr Projekt, bekommen Sie Gelder von bestimmten Forschungsfonds? Oder läuft das alles über das Museum?
Christiana: Eigentlich ist FoCol nur ein kleines Teil-Projekt im Rahmen von GBIF-Ddas vom BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) finanziert wurde. Leider reichte das bewilligte Geld nicht, um die Arbeiten bis zum offiziellen Projektende im Dezember 2005 abzuschließen und eine Weiterfinanzierung seitens des BMBFs war nicht vorgesehen. Anfang 2006 bin ich daher vom Staatlichen Museum für Naturkunde Karlsruhe als wissenschaftliche Volontärin angestellt worden, so dass die Möglichkeit bestand, das Projekt bis Ende 2007 fortzuführen bzw. abzuschließen.
AntBase: Neben Geld braucht man für so ein Projekt natürlich auch eine ganze Menge Zeit. Wie lange arbeiten Sie denn nun schon an dem FoCol-Projekt, und haben Sie eine Vorstellung wie lange es dauern wird bis sie Ihr Projekt abgeschlossen haben?
Christiana: Ich arbeite seit Oktober 2004 für FoCol. Zunächst nur auf einer halben Stelle, dann auf einer dreiviertel Stelle und wie bereits oben erwähnt, seit Anfang 2006 auf einer vollen Stelle als wiss. Volontärin. Da zu Beginn des Projektes nur sehr grobe Schätzungen über die in Deutschland liegenden Ameisen-Typen vorlagen, ist man davon ausgegangen, dass die Finanzierung und Bearbeitungszeit bis Ende 2005 ausreichend sei. Heute wissen wir, dass wir mehr als dreimal so viele Ameisen-Typen in Deutschland haben als vorher geschätzt, daher dauert die Bearbeitung insgesamt auch länger. Wir hoffen aber, das Projekt bis Ende 2007 abschließen zu können.
AntBase: Bei solch einem umfangreichen Projekt trifft man ja auch immer wieder auf Probleme und Rückschläge. Mit welcher Art von Problemen hatten Sie bisher schon zu kämpfen, und inwieweit ist es Ihnen gelungen diese zu lösen? Hatten Sie sich das ganze so umfangreich vorgestellt, oder waren Sie eher überrascht wie schwierig sich so ein Projekt gestalten kann?
Christiana: Wir sind selbst beeindruckt von der Menge des gefundenen Materials. Technische Schwierigkeiten gab es eigentlich nicht, der Ablauf der Datenerhebung lief, wie zu Projektbeginn geplant. Bei meiner Ankunft im Museum war die AutoMontage-Anlage bereits in Betrieb. Durch die Anschaffung eines neuen Stereomikroskops (Leica Z6 Apo) konnte die Qualität der Fotos allerdings noch einmal deutlich verbessert werden. Sicherlich war die eigene Kreativität ein ums andere Mal gefragt, um die sehr komplexen Daten lokal auf dem Rechner zu verwalten. Nicht unkompliziert war das Einarbeiten in die umfangreichen Schnittstellen des Systax-Servers der Uni Ulm.
AntBase: Planen Sie Ihr Projekt auszuweiten, z.B. auf den gesamten deutschsprachigen Raum oder auf europäischer Ebene die Sammlungen zu dokumentieren? Oder sind sie erst einmal froh wenn Sie zumindest in die deutschen Sammlungen etwas "Licht" bekommen haben?
Christiana: Eine Ausweitung des Projekts auf andere Länder ist nicht geplant. Dafür sehe ich keine Finanzierungsmöglichkeit von Deutschland aus. In Österreich, in der Schweiz oder auch in den USA oder Brasilien wird das Projekt mit großem Interesse beobachtet, was wir bei verschiedenen Kongressen an den Nachfragen gesehen haben. Ich bin natürlich auch froh, wenn das Projekt hier in Deutschland abgeschlossen ist. Wenn ich die Wahl hätte, wie ich dieses Projekt weiter führen wollte, würde ich mich vermutlich eher für eine "Komplettierung" der bereits vorhandenen Daten entscheiden, also z. B. eine ausführlichere Bearbeitung der Literatur, z. B. in Form eines XML-mark-ups. Hier werden in den Original-Beschreibungen bestimmte Schlüsselwörter wie z. B. Taxa markiert und die Texte für das data mining aufbereitet. Später kann man dann über eine Suchmaske in verschiedenen Dokumenten gleichzeitig suchen, ohne die Original-Publikation in den Händen zu halten oder jedes PDF-Dokument einzeln am Rechner zu öffnen. Es gibt bereits interessante Ansätze für ein solches Projekt. So. z. B. unter http://www.plazi.org. Sinnvoll erscheint mir auch eine Ausweitung der Datensätze in Bezug auf die historischen und aktuellen geographischen Daten der Typen.
AntBase: Sie haben während Ihrer Arbeit an FoCol ja auch noch ihre Doktorarbeit geschrieben und Ihren Ph.D. erlangt, konnten Sie dabei einen Nutzen aus Ihrer Arbeit an FoCol ziehen, oder lief das eher auf eine "Doppelbelastung" heraus?
Christiana: Meine Doktorarbeit und FoCol haben eigentlich nichts miteinander zu tun gehabt. Dazu kommt, daß ich FoCol begonnen habe, als alle Daten für die Doktorarbeit praktisch schon vorlagen und nur noch ausgewertet und zusammengeschrieben werden mußten. Zu Beginn hatte ich ja auch nur eine halbe Stelle, so daß für die Dissertation noch genug Zeit blieb. Während der Doktorarbeit habe ich mich u. a. mit Taxonomie und Systematik von Ameisen beschäftigt, was sicherlich dazu beigetragen hat, eine grundsätzliche Qualifikation für das Projekt zu erlangen.
AntBase: Sie arbeiten in Ihrem Projekt ja auch mit anderen Stellen in Deutschland, so z.B. mit dem Ulmer Systax-Projekt zusammen. Was versprechen Sie sich von dieser Zusammenarbeit?
Christiana: Sehr erfreulich und erfolgreich hat sich die Zusammenarbeit mit sämtlichen Instituten gestaltet, die Ameisen-Typen in ihren Sammlungen haben. Alle Institute haben uns ihr gesamtes Typus-Material ausgeliehen, um es in Karlsruhe fotografieren zu können. Da wir das Material immer persönlich abgeholt und zurückgebracht haben, konnten dadurch viele wichtige Kontakte geknüpft werden. Somit habe ich einen guten Überblick über die Ameisen-Sammlungen in Deutschland bekommen.
AntBase: Leider gibt es bei Ihrem Focol-Auftritt im Internet bisher nur einen Beispieldatensatz zu begutachten, der aber schon richtig Appetit auf mehr macht. Ab wann darf man dort mit mehr Bildern rechnen?
Christiana: Die Präsenz der FoCol-Bilder im Internet hängt nicht nur von uns ab. Momentan gibt es von Seiten des Systax-Servers noch Import-Probleme. Alternativ denken wir auch darüber nach, unsere Bilder auf anderen Servern abzulegen und diese dann mit anttypes.org zu verknüpfen. Die Verhandlungen laufen bereits. Hier in Karlsruhe haben wir dafür leider nicht die technischen Möglichkeiten. Wir hoffen aber, die Bilder so bald wie möglich auch im Internet präsentieren zu können. Wer vorab Informationen braucht, oder die Bilder sehen möchte, kann mir eine entsprechende e-mail schreiben, ich schicke dann die Bilder sehr schnell zu. Das hat bis jetzt gut geklappt und eine Ausleihe des Materials war nicht mehr notwendig.
AntBase: Sie beschäftigen sich ja auch viel mit Makrofotografie und präsentieren auf Ihrer Internetseite www.ameisen-net.de fantastische Bilder der einheimischen Ameisen in Baden-Württemberg. Jeder der sich schon einmal mit der Makrofotografie von präparierten Insekten beschäftigt hat, kann ein Lied davon singen, mit welchen Problemen man dort konfrontiert ist. Gibt es bestimmte Tricks oder haben Sie ein paar Ratschläge für unsere interessierten Leser was man unbedingt beachten sollte?
Christiana: Man kann tatsächlich die Qualität der Aufnahmen erheblich verbessern, wenn man ein paar einfache Hinweise beachtet. Das gilt zumindest für Aufnahmen von Ameisen, die unter einem Stereomikroskop gemacht werden. Eine gute Präparation der Tiere ist ausschlaggebend für die gute Qualität der Bilder. Eventuell angewinkelte Beine sollten nicht Teile des Mesosomas oder des Petiolus / Postpetiolus verdecken. Oft hängt auch der Gaster herab, den kann man vorsichtig anheben, so dass er in einer Achse mit dem Mesosoma und dem Kopf steht. Beim Kopf sollten die Antennen nicht zu sehr nach links und rechts abstehen, sondern die Scapen in Richtung Kopf-Hinterrand zeigen und die Funicel in einem ca. 45° -Winkel zu den Scapen stehen. So hat man bei Großaufnahmen des Kopfes noch immer mindestens eine Antenne vollständig auf dem Bild. Beim Fotografieren selber spielt die korrekte Ausrichtung der Tiere eine große Rolle. Bei einer Frontalaufnahme sollte der Kopf wirklich von vorne und nicht schräg aufgenommen werden. Gleiches gilt für Seitenaufnahmen und für Aufnahmen von oben. Im Weiteren sollte bei jedem Bild eine Größenskala dabei sein. Auch die Nachbearbeitung der Fotos ist nicht zu vernachlässigen. In vielen Fällen muß die Aufnahme nur freigestellt werden, aber mit Adobe Photoshop lassen sich auch gut andere Artefakte retouchieren. Das gilt z. B. für abstehende Fussel oder andere Schmutzpartikel. Hier ist wichtig, daß man niemals die Ameise an sich bearbeitet, um die Aufnahme nicht zu verfälschen. Wichtig hier ist das "Drumherum". Einige Hinweise kann man auch unter anttypes.org und unter ameisen-net.de nachlesen. In der Publikation von Alexander Riedel gibt es ebenfalls nützliche Hinweise: Riedel, A. 2005. Digital imaging of beetles (Coleoptera) and other three-dimensional insects. In: Häuser et al. (eds.): Digital Imaging of Biological Type Specimens. A Manual of Best Practice. Results from a study of the European Network for Biodiversity Information: 222-250. Stuttgart.
AntBase: Frau Klingenberg, wie sehen, abgesehen von der Arbeit an FoCol, Ihre Pläne für die Zukunft aus? Auf was darf man als nächstes von Ihrer Seite aus gespannt sein?
Christiana: Zunächst bin ich noch ein paar Tage mit FoCol beschäftigt. Was dann noch kommt, ist noch offen. Zur Zeit denken wir über ein Projekt über Ameisen in Baden-Württemberg nach. Aber es gibt noch keine konkreten Pläne.
AntBase:
Frau Klingenberg, wir danken Ihnen herzlich für das Interview!
©2007. Martin Pfeiffer. University of Ulm.
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Experimental Ecology